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300 Jahre Balgheimer Kirche (1709-2009)

von Fritz Mattes, Spaichingen

 

Die Pfarrchronik der Gemeinde - sie befindet sich seit einigen Jahren im Diözesanarchiv in Rottenburg und stammt aus dem Jahre 1817 - lässt uns einen Blick zurückwerfen auf die bewegte Geschichte der Pfarrgemeinde in Balgheim. Für die Gemeinde, die eine lange Tradition aufweist, hatte in den Jahren 1634 - 1646 die „Stunde null" geschlagen. Der Dreißigjährige Krieg hatte wie viele Orte in unserer Region auch Balgheim erreicht und den Menschen in Balgheim großes Leid zugefügt. Der Chronist schreibt:

„Da ward 1642 der Pfarrhof und auch die Kirche durch die Schweden abgebrannt und zerstört. Da gingen alle Altäre zu Grunde. Weil kein Pfarrhaus und keine Kirche mehr da war, hat sich Pfarrer Gottling nach Rottweil in seine Heimat begeben, wo er vermutlich auch gestorben ist. Wann ist unbekannt. So wurde die Pfarrei durch Verfügung anfangs dem Bezirkskämmerer in Dürbheim anvertraut."

Doch bereits im Jahre 1647 regte sich in der Gemeinde Balgheim neues Leben. Man wollte offensichtlich wieder selbstständig werden. So wurden, wie die Chronik berichtet,

„Anstalten gemacht zum Pfarrhausneubau und dem Pfarrvikar von der Kirchenstiftung ein Trunk bezahlt mit 4 Batzen und 12 Heller. Auch wurde zu Rottweil der Unterhalt des künftigen Pfarrers reguliert."

In den Folgejahren gingen die Balgheimer daran, ihre Kirche wieder aufzubauen. Der Kirchturm aus dem Jahre 1622 und die zweigeschossige Sakristei, in der noch im Gewölbe Maßwerk und romanisch-gotische Teile vorhanden sind, waren erhalten geblieben. Für das Jahr 1664 vermerkt die Chronik: „ln diesem Jahr wurde der Hochaltar gemacht und auch zwei Messgewandt bezahlt." Doch nicht nur in baulicher Hinsicht, sondern auch im religiösen Bereich der Pfarrgemeinde regte sich neues Leben. Als auf dem Dreifaltigkeitsberg 1673 die vorbarocke Kirche eingeweiht wurde, firmte bei diesem Anlass der Weihbischof aus Konstanz auch 62 Kinder aus Balgheim und es wurde „jedem Kind ein Kreuzer bezahlt", wie die Chronik zu berichten weiß. Sechs Jahre später, im Jahre 1679, war es der Pfarrgemeinde möglich, sich für 41 Gulden eine Monstranz zu kaufen.

Die nach dem Dreißigjährigen Krieg erbaute Kirche war in ihren Ausmaßen äußerst bescheiden und konnte der nach den Kriegswirren schnell wachsenden Gemeinde nicht mehr genügend Raum bieten. Mit der Unterstützung des Patronatsherrn, dem Freiherr von Rost, konnte die Pfarrgemeinde den Bau einer größeren Kirche ins Auge fassen. Als im Jahre 1702 die alte Kirche abgebrochen und im Oktober des gleichen Jahres der Grundstein für die neue Kirche gelegt wurde, verfasste der damalige Pfarrer eine Urkunde, um diese „der gnädigen Herrschaft" zur Genehmigung vorzulegen. Sie lautet in lateinischer Sprache (gekürzt):

„In Nomine Sanctissimae Trinitatis ad honorem Virginis Matris Maria ad coelos asumpta et S. Ursulae et Agathae ecclesiae Balgheimensis Patronarum … signat 1702 chronologis sequentibus … von Pfarrer Erklmann”

„Im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit zu Ehren der Jungfrau und Mutter Maria in den Himmel aufgenommen und der heiligen Ursula und der heiligen Agatha, der Patroninnen der Balgheimer Kirche, ... unterzeichnet im Jahre 1702 und für die Folgezeit von Pfarrer Erklmann"

Selbstbewusst schrieb der Pfarrer, als er die Urkunde abfasste, „dass die Nachkommenschaft wissen sollte, wer bei der Erbauung der Kirche Pfarrer gewesen".

Für die Jahre 1703/04 ist in der Chronik für den Kirchenneubau die Summe von 5174 Gulden und 49 Kreuzer verzeichnet, doch die Ausführung des Baues verzögerte sich infolge neuer Kriegswirren. Der Chor- und Langhausneubau im Barockstil durch Ambrosius Linner aus Möhringen konnte erst im Jahre 1709 vollendet werden.

Am 3. Oktober 1709 wurde die neu erbaute Kirche in Balgheim durch den Weihbischof von Konstanz feierlich eingeweiht. Der Pfarrer legte großen Wert darauf, dass sich dieser Festtag seiner Gemeinde in der Pfarrchronik gebührend niederschlug. Er beauftragte einen des Lateinischen kundigen Zeitgenossen mit der genauen schriftlichen Dokumentation des Weihetages. Dieser gelehrte Mann wollte aber nicht genannt sein. Er hielt lediglich fest, dass er mit seinem noch kleinen Sohn an der Weihe der neuen Kirche in Balgheim teilgenommen habe. Dieser Bericht über die Weihe der Balgheimer Kirche am 3. Oktober 1709 ist einzigartig. Der deutsche Text wird immer wieder erweitert durch lateinische Formulierungen. Der Verfasser des Textes muss darüber hinaus auch viel Verständnis für die Weiheliturgie gehabt haben. Wie ein moderner Fernsehreporter hält er den Weihevorgang in allen Einzelheiten fest. Der Bericht über den Weihetag in der Pfarrchronik hat folgenden Wortlaut:

„Ein unbekannter Verfasser schreibt: Donnerstag, 3. Oktober 1709 morgens um 9.00 Uhr zu des Herrn Weihbischof von Konstanz, Hochwürd und Gnad. Wie es geheißen ward und angezeigt, ist der Weihbischof nachdem er zu Dürbheim einen Altar konsekriert hatte, allhier angelangt und beim Pfarrhaus abgestiegen. Alsdann hat er dem parochus loci (= dem Ortspfarrer) das Kruzifix zu küssen gegeben. Daraufhin wurde er durch etliche Priester in die Kirche und von da in den Pfarrhof begleitet.

Als er pontificaliter (= wie ein Bischof) angelegt ward, begab er sich in habitu Pontificali (= im Bischofsornat) wieder in die Kirche. Daselben hat er vor dem Hochaltar Alb und das Pluvial (= Albe und Chormantel) angelegt und hat sich mit dem Bischofsstab in der Hand zur Kirchtür begeben. Dabei hat er auch alle Anwesenden zu gehen befohlen, die Kirche geschlossen, um dann die Kirche von außen zu benedizieren. Unterdessen ist der Herr Kaplan innerhalb der Kirche ad portam (= bei der Türe) gestanden. Der H.H. Weihbischof stieß dreimal mit dem Stab an die Pforte der Kirche und sprach dabei: Introivit Rex gloriae (= es will eintreten der König der Ehren). Dann fragte der Herr Kaplan: „Quid est ille rex gloriae? (= Wer ist der König der Ehren?) und der H.H., Weihbischof antwortete: Dominus fortis et potens Dominus potens in caelo (= Es ist der Herr, stark und mächtig, mächtig im Himmel).

Nachdem dies geschehen, wurde die Kirche geöffnet und der H.H., Weihbischof eingelassen. Worauf auch die Leute hineingedrungen, unten in der Kirche aber nicht geduldet, da denn auch innerhalb der Kirche die Caeremonie fortgesetzt wurde. Auf den Boden ward Asche gestreut, in welche der H.H Weihbischof mit dem Stab ein Kreuz gemacht und auch bei allen Wandleuchten hat er mit dem hl, Crysam ein Kreuz gemacht. Hierauf haben sie die Altäre angefangen zu consecrieren, in medio templi (= inmitten der Kirche) auch zu jedem Altar gesungen und gebetet.

Nachdem die heiligen Reliquien bei jedem Altar in sepulcrum (= in das Grab) gelassen und zugemauert waren, haben sie die Altäre mit Weihwasser und mit dem heiligen Crysam bezeichnet und auf jedem Altar 5 Weihrauchkörnchen gelegt und mit Lichtern angezündet. Als nun der Aktus völlig beendet war, hat Ihro Gnaden auf dem Hochaltar einen 40tägigen Ablass verkündet. Danach gingen Ihro Gnaden ad mandum (= zum Essen). Mittags 2 Uhr wurde mit dem Sacrament der Firmung der Anfang gemacht. Doch der Zulauf zu dem Hochaltar ist allzu groß geworden. So haben sie die Firmung außerhalb der Kirche gespendet.

Nach Beendigung derselben und gegebener Benediktion ist man wieder in den Pfarrhof gegangen. Dahier hat Hochw. Gnade den habitum Pontificalem (= das Bischofsornat) abgelegt und sich das Reisekleid angelegt. Noch selbigen Abend hat er sich nach Seitingen begeben."

 

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